Handel und Investitionen
, Ostasien im Fokus: Chancen in China und Südkorea nutzen

Ostasien ist eine große Region im Wandel. Ihre vielfältigen und innovativen Volkswirtschaften setzen auf der globalen Bühne deutliche Akzente.

In diesem Artikel richten unsere Experten den Fokus auf zwei der führenden Wirtschaftsmächte der Region – China und Südkorea – und analysieren Schlüsseltrends in den Bereichen Nachhaltigkeit, Demografie und Innovation. Auch die Chancen werden beleuchtet.

Teilnehmer:

  • Franz-Josef Murr, Financial Institutions, Regional Head of Asia
  • Gerald Dannhäuser, Financial Institutions, Regional Head of Developed Markets
  • Mike Jaeho Hyun, Senior Representative, Representative Office Seoul
  • Yichen Lu, Head of Financial Institutions Desk, Peking und Shanghai

Nachhaltigkeit, ein Top-Thema in vielen Ländern weltweit, birgt unzählige Herausforderungen, bietet aber auch potenzielle Chancen. Wie gestalten China und Südkorea den grünen Wandel?

Franz-Josef Murr: Nachhaltigkeit zählt zu den wichtigsten Themen in ganz Asien. China wie auch Südkorea sehen den grünen Wandel und ihre Rolle bei der Umsetzung als sehr wichtig an.

Mike Jaeho Hyun: In seinem Green New Deal hat Südkorea seine Ambition dargelegt, bis 2050 netto CO2-neutral zu sein. Aktuell ist Südkorea jedoch nach wie vor stark von fossilen Brennstoffen abhängig: Weniger als 10 % der Stromerzeugung entfallen auf erneuerbare Energien. Doch neben der CO2-Neutralität bis 2050 will das Land seine Energieerzeugung zu 70 % auf erneuerbare Energien und Kernenergie umstellen. Im Finanzsektor hat die koreanische Finanzdienstleistungskommission (FSC) Pläne angekündigt, nach denen fünf der wichtigsten Finanzinstitute bis 2030 314 Mrd. US-Dollar zur Förderung der Klimafinanzierung im Land bereitstellen sollen.

Yichen Lu: China ist ein globaler Marktführer im Bereich der erneuerbaren Energien. Das Land ist der weltweit größte Markt für Windenergie und der größte Produzent und Verbraucher von Solarpanelen. Zudem werden Investitionen in Energieinnovationen wie solarbetriebene Entsalzungsanlagen und schwimmende Solarparks getätigt. Dank der florierenden Kapazitäten konzentriert sich China zunehmend auf die Energiespeicherung und die Verbesserung der Netzsteuerung und -resilienz, um das Optimierungspotenzial grüner Energien auszuschöpfen. Abseits des Energiesektors plant China, seine bewaldeten Flächen bis nächstes Jahr auf fast ein Viertel der Landesfläche auszubauen. Die Begrünung des Landes können wir anhand von Satellitenbildern beobachten. Auch Chinas Bankensektor stellt sein ESG-Engagement unter Beweis: 2022 avancierte das Land zum weltweit größten Emittenten grüner Anleihen.1

China ist besonders als dominierende Kraft in zahlreichen nachhaltigkeitsorientierten Branchen wie der Halbleiter- und der Elektrofahrzeugindustrie bekannt. Wie ist der Stand der Dinge – und wie reagiert der Rest der Welt?

FM: Während Chinas Wirtschaft reift und sich stabilisiert, beobachten wir stärkere Investitionen in innovative, hochwertige Produkte und Branchen wie Halbleiter, die beim Bau von Elektrofahrzeugen, Solarpanelen und für die Windturbineninfrastruktur eine zentrale Rolle spielen. Im laufenden Jahr hat China seine Pläne zur Erhöhung seines weltweiten Anteils an der Halbleiterproduktion verstärkt und dabei mehr neue Produktionskapazitäten geschaffen als der Rest der Welt im Jahr 20242. Zudem ist China auch der weltweit größte Produzent von Silizium, ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung der Halbleiter für Computerchips.

MH: Südkorea gehört neben China zu den „Big Four“ der Halbleiterindustrie und produziert über die Hälfte der weltweit für die Datenspeicherung und -verwaltung in PCs, Smartphones und SD-Karten verwendeten Speicherchips. Die Regierung unterstützt die Branche durch steuerliche Anreize für Chip-Investitionen und plant den Bau des weltweit größten Chip-Zentrums.

YL: Bei Elektrofahrzeugen ist China innovativ und wettbewerbsfähig: Sein globaler Marktanteil dürfte 2024 ein Niveau von 45 % erreichen3. Daher suchen einige deutsche Automobilunternehmen nach neuen Chancen im Reich der Mitte. So haben Mercedes-Benz und BMW ein Joint Venture zum Betrieb von Schnellladestationen in China angekündigt, um chinesischen Kunden Premium-Ladedienste anzubieten.

FM: Die Dynamik der Beziehungen zwischen Deutschland und China hat sich verändert und ist von mehr Rivalität und Wettbewerb geprägt als in der Vergangenheit. China hat Deutschlands führende Position in Branchen wie der Automobilindustrie und Advanced Manufacturing übernommen. Dieser Wettbewerb ist von Vorteil für die Wirtschaft, denn er treibt Innovationen und schafft neue Möglichkeiten. Das unterstützt die (kosten-)effiziente Produktion und Dienstleistungen.

MH: Wir stehen alle vor einer Herausforderung: Trotz aller Anstrengungen und Investitionen in Technologien wie Elektrofahrzeuge und Solarenergie sind diese Prozesse derzeit noch nicht so effizient wie die Kernenergie. Die Technologie für erneuerbare Energien ist noch recht neu; hier sind weitere Innovationen erforderlich.

YL: Ich stimme zu. Erneuerbare Energie muss technologisch effizienter werden. Zudem müssen wir darüber sprechen, wie Batterien von Elektrofahrzeugen nachhaltig entsorgt werden können. Auch der Übergang von Kohle zu erneuerbaren Energien wird Zeit in Anspruch nehmen, zumal über die Hälfte der Energieerzeugung Chinas auf Kohle basiert, mit einer Wertschöpfung von 218 Mrd. US-Dollar4. Entschlossenes Handeln ist gefragt, um den privaten Sektor zur Stilllegung von Minen zu bewegen.

Welche innovativen Entwicklungen sehen Sie in China und Südkorea? Was unternehmen die Länder beispielsweise im Bereich der KI?

MH: Südkoreas so genannter „Soft Power“-Markt hat in den letzten Jahren enormes Wachstum verzeichnet, aus dem eine Vielzahl neuer wirtschaftlicher Chancen erwachsen ist: Die Musikindustrie („K-Pop“) bringt etwa jährlich schätzungsweise 10 Mrd. US-Dollar ein5, wovon selbst der Tourismus profitiert. Soft Power umfasst auch den Bereich „K-Beauty“, zu dem auch die plastische Chirurgie gehört. Südkorea wird heute oft als die „Weltzentrale der kosmetischen Chirurgie“ bezeichnet. Die Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Einwanderung zu erleichtern, um vom wachsenden Trend des Medizintourismus zu profitieren6.

Gerald Dannhaeuser: Mit über 370 Scale-ups im Jahr 2023 hat sich Südkorea auch zu einem der innovativsten Akteure im Bereich KI entwickelt. Eine politische Neuausrichtung hat zu einem günstigen regulatorischen Umfeld beigetragen, das KI-getriebene Innovation begünstigt sowie Forschung und Entwicklung in Bereichen wie Produktion, Fintech und Bildungswesen vorantreibt. Hier werden wir von Südkorea wie auch von China weiteres Wachstum und Wettbewerb sehen.

FM: China hat ehrgeizige Pläne, bis 2030 eine weltweit führende Position in der KI zu übernehmen. Neben dem Gesundheitswesen ist das autonome Fahren von besonderem Interesse: Fahrerassistenzsysteme und Robotaxis werden in chinesischen Städten häufig getestet. Im Gesundheitswesen erschließt die KI Lösungen für ein grundlegendes und dringliches Problem Chinas: seine alternde Bevölkerung. Die Anwendung von KI in der medizinischen Bildgebung, der Diagnostik, der Arzneimittelforschung sowie bei medizinischen Instrumenten wird dazu beitragen, die Versorgung älterer Patienten zu verbessern. Angesichts des knappen Fachkräfteangebots in Gesundheitsberufen und Bedenken hinsichtlich der Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit der Versorgung ist dies von besonderer Bedeutung.

GD: Ostasien wird in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich die am schnellsten alternde Region der Welt sein und unter dem Problem des Altenquotienten leiden. Diese Kennziffer misst den Anteil der Personen im Rentenalter (65 Jahre oder älter) an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ab. Zwischen 2025 und 2050 werden sich die Quotienten in Südkorea und China mehr als verdoppeln: von 29,4 % auf 65 % bzw. von 20,4 % auf 46 %7.

MH: Zudem leidet das staatliche Rentensystem unter einem Mangel an Finanzmitteln, denn die Anzahl der erwerbstätigen Beitragszahler liegt unter der Zahl der Rentenempfänger.

Zweifellos wird der wirtschaftliche Ausblick beider Länder durch demografische Faktoren beeinflusst. Gibt es andere potenzielle Wachstumshemmnisse, die zu bewältigen sind?

MH: Das Problem der Überalterung der Bevölkerung wird durch den gleichzeitigen Bevölkerungsrückgang sowohl in China als auch in Südkorea noch verschärft. In Südkorea ist die durchschnittliche Geburtenrate auf 0,72 pro Frau gefallen, was das Land vor neue Probleme stellt. Eine rückläufige Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beeinträchtigt die Produktivität erheblich. Darum hat die südkoreanische Regierung das Renteneintrittsalter von 60 auf 64 Jahre erhöht, um diesem Problem zu begegnen.

Hinzu kommt die mangelnde Akzeptanz der Einwanderung. China und Südkorea sind relativ geschlossene Gesellschaften. Hinzukommen ungünstige Arbeits- und Beschäftigungsregeln sowie kulturelle und sprachliche Barrieren. Dies macht es sehr schwierig, die Zahl der Erwerbstätigen durch Einwanderung zu erhöhen.

FM: Auch China hat jüngst das Renteneintrittsalter erhöht. Die schrumpfende Bevölkerung und das niedrigere Produktivitätsniveau sind Schlüsselfaktoren für die Konzentration auf werthaltige, innovative Branchen wie KI und Halbleiter.

YL: Ein weiterer Trend, der sich auf China auswirkt, ist die zunehmende Verlagerung von Produktionsbetrieben in Nachbarländer aufgrund der „China-plus-eins“-Strategie zahlreicher Unternehmen, die ihre Lieferketten diversifizieren und eine übermäßige Abhängigkeit von China abbauen wollen. Steigende regulatorische und Lohnkosten in China spielen hier ebenfalls eine Rolle.

Wie können Finanzinstitute neue Geschäftsmöglichkeiten in China und Südkorea fördern?

MH: Ungeachtet der Herausforderungen besteht nach wie vor großes Interesse bei Investoren und Unternehmen, Chancen in China und Südkorea wahrzunehmen. Um solche Chancen möglichst wirksam ausnutzen zu können, ist die Zusammenarbeit mit einer Bank entscheidend, die über ein globales Netzwerk und umfangreiche Marktkenntnisse verfügt, flexible Lösungen bietet und vor Ort präsent ist. Die Commerzbank begleitet ihre Kunden aktiv in dieser Region. So waren wir beispielsweise an der Finanzierung der südkoreanischen Infrastruktur für grünen Wasserstoff sowie am Ausbau des Energienetzes beteiligt und konnten zur grünen Transformation beitragen.

YL: Chinas Wirtschaft ist offen für ausländische Direktinvestitionen in die Finanzierung nachhaltiger Projekte und erneuerbarer Energien. Das eröffnet zahlreiche Möglichkeiten. Banken können Kunden, die sich in diesem Markt engagieren möchten, durch ESG-Darlehen, grüne Anleihen und ESG-Beratung unterstützen sowie ihr Fachwissen zu Infrastrukturinvestitionen in erneuerbare Energie einbringen.

FM: Banken können auch Aus- und Weiterbildungsleistungen anbieten. Für Unternehmen und Institutionen ist dies in einem sich verändernden Umfeld von entscheidender Bedeutung. Dank ihrer Kompetenz in der Handels- und nachhaltigen Finanzierung und im internationalen Zahlungsverkehr ist die Commerzbank gut gerüstet, um ihre Kunden hier zu unterstützen. Beispielsweise haben wir kürzlich in drei großen Städten eine Roadshow zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr und Compliance-Themen veranstaltet. Zudem bieten wir regelmäßig Kundenseminare und virtuelle Schulungen zu einer Reihe von Themen an, beispielsweise zu ESG-Ratings.

GD: Die Situation in Ostasien wird sich kontinuierlich weiterentwickeln; neue Geschäftsmöglichkeiten werden sich ergeben. Unsere Niederlassung Singapur betreut Kunden vor Ort und kann sie bei der Nutzung dieser Chancen unterstützen. Des Weiteren wollen wir unsere Repräsentanz in Südkorea verstärken. Damit unterstreichen wir unsere Verpflichtung, nahe bei unseren Kunden zu sein und ihnen den Service zu bieten, den sie zur Optimierung ihrer Investitionen benötigen.