Handel und Investitionen
, Die Zukunft der GCC-Region: Chancen und Herausforderungen der wirtschaftlichen Diversifizierung

Der Klimanotstand und der notwendige Ausstieg aus fossilen Energien führen in GCC-Ländern zu tiefgreifenden Veränderungen. Um ihre traditionelle Wirtschaft zu transformieren und breiter aufzustellen, haben sie sich ehrgeizige Ziele gesetzt.

Gerald Dannhäuser, Regional Head of Financial Institutions, Asien/Pazifik & GCC, Mehtap Ak-Sisman, Chief Representative für den GCC in Dubai, Nils Neudörfer, Senior Relationship Manager, und Georges Bou Nemer, Senior Representative für den GCC in Dubai, erläutern, welche Chancen sich daraus ergeben und wie Banken den Wachstumsprozess unterstützen können.

Die GCC-Region im Fokus: globale Nachhaltigkeitsziele und sich wandelnde Energienachfrage als Transformationstreiber

Die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) durchleben derzeit einen rapiden und tiefgreifenden Wandel: Mit ehrgeizigen Diversifizierungsstrategien wollen sie Risiken minimieren, schwindenden Ölreserven begegnen und sich auf den prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels vorbereiten. Dieser betrifft insbesondere das niedrig liegende Bahrain, doch auch die Küstenstreifen von Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sind stark gefährdet. Wie sehr die Region den Risiken des Klimawandels ausgesetzt ist, haben jüngst auch die Starkregenereignisse und die darauffolgenden Überschwemmungen in den VAE und in Oman gezeigt. Die globalen Nachhaltigkeitsziele und das Bekenntnis der GCC-Länder zu den Beschlüssen der 28. Weltklimakonferenz sind für die Region ein zusätzlicher Anreiz, sich von ihrer traditionell starken Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen zu lösen.

Die GCC-Staaten reagieren, indem sie sich wirtschaftlich breiter ausrichten, dabei den Tourismus, die erneuerbaren Energien, Fintech und Chancen im Welthandel im Blick haben. Dabei stützen sie sich auf Pläne, die schon vor den jüngsten Herausforderungen erstellt wurden. Dank wirtschaftlicher Diversifizierung, der Drosselung der Erdölförderung durch die OPEC+ und stärker werdender Handelsbeziehungen zu Europa (hier zeigt sich der Wandel der Energienachfrage) steht die GCC-Region nun vor einem Wachstums- und Innovationsschub. Trotz der schwächelnden Weltwirtschaft wird ihr für 2024 daher ein BIP-Wachstum von 3,7 % prognostiziert. Dies stärkt die Wahrnehmung der Region als aufstrebendes Wirtschaftszentrum und ihre strategische Bedeutung für den globalen Welthandel.

Doch um das volle Potenzial ausschöpfen zu können, braucht es Finanzierungen und Infrastrukturinvestitionen in erheblichem Umfang.

Erneuerbare Energien und Welthandel: die GCC-Region auf dem Weg in eine grünere Zukunft

Die GCC-Staaten sind keine homogene Einheit mit den überall gleichen Bedürfnissen und Prioritäten. Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die VAE sind unterschiedliche Länder mit jeweils eigenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Vorstellungen und Plänen sowie eigenen Diversifizierungsstrategien für ihre Wirtschaft.

So etablieren sich die VAE, Oman, Katar und Saudi-Arabien gerade in den Reihen der größten Akteure im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energiediversifizierung. Die VAE wollen in den nächsten sieben Jahren 54 Milliarden US-Dollar in die Energieerzeugung und erneuerbare Energien investieren, mit zusätzlichen Investitionen in grünen Wasserstoff, Solarenergie, Kernenergie und Technologien zur CO2-Abscheidung. Indessen plant Saudi-Arabien im Rahmen seiner „Vision 2030“-Strategie die Diversifizierung seiner Energieproduktion: Bis 2030 sollen 50 % der erzeugten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen und mit dem NEOM Green Hydrogen Solar PV Project soll Ende 2026 die weltgrößte Anlage für grünen Wasserstoff in Betrieb gehen.

Die sich verändernde Energielandschaft ermöglicht außerdem den Ausbau der Beziehungen zwischen den GCC-Staaten und Europa, gilt die GCC-Region doch als zentraler Handelskorridor zur Deckung des Energiebedarfs des alten Kontinents und Unterstützung der globalen Energiewende. Zugleich helfen engere Beziehungen auch der deutschen Wirtschaft, ihre Exporte in die Region auszubauen. Bereits heute exportiert Deutschland Maschinen, Kraftfahrzeuge, Pharmazeutika sowie elektrotechnische und chemische Erzeugnisse in die GCC-Region, was sich durch den regionalen Diversifizierungstrend aber noch weiter verstärken wird.

Um den Ausbau der internationalen Beziehungen weiter zu unterstützen, wurden in den GCC-Staaten Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsumfelds für Unternehmen und Investoren sowie zur Förderung einer engeren internationalen Zusammenarbeit und des fachlichen Austauschs ergriffen. So haben etwa die VAE das GCC-Freihandelsabkommen mit Ländern wie Neuseeland und Singapur unterzeichnet. Weitere Verhandlungen mit der EU, Japan und einigen Mercosur-Staaten laufen noch. Mit solchen Abkommen werden sich die VAE als internationales Handelszentrum etablieren und ihre Strategie zur wirtschaftlichen Diversifizierung weiter ausbauen können.

Diversifizierung hin zum internationalen Sport- und Tourismuszentrum

Neben dem Energiesektor erlebt die Tourismusbranche in Saudi-Arabien, Oman und den VAE ein rasantes Wachstum. Saudi-Arabien hat große Summen in touristische Infrastruktur wie Hotels, Flughäfen und Verkehr investiert. Zudem wird das Tourismusministerium in Kürze ein zehnjähriges Investitionspaket in Höhe von 1 Billion US-Dollar bekanntgeben. Auch Oman positioniert sich zunehmend als Reiseziel und verzeichnet dadurch ein solides Wachstum. Das Land vermarktet nicht nur seine kulturellen Wahrzeichen und seine vielfältige Natur, sondern realisiert auch Infrastrukturprojekte wie den Bau von Seilbahnen, Seilrutschen und Bergwanderwegen, um Touristen anzuziehen. 2023 verzeichnete Oman so vier Millionen Besucher – ein Zuwachs von 38 % im Vergleich zum Vorjahr.

Im Rahmen der Diversifizierung setzen einige der GCC-Staaten auch auf die Ausrichtung internationaler Sportevents. Seit 2021 hat Saudi-Arabien mindestens 6,3 Milliarden US-Dollar in Sportveranstaltungen investiert. Das Land richtet hochkarätige Boxkämpfe, ein Formel-1-Rennen in Dschidda, LIV-Golf-Turniere, die WTA Finals im Damentennis (bis 2026) sowie den spanischen Supercup (bis 2029) und die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 aus. Seit der WM 2022 hat auch Katar stark in Initiativen investiert, die darauf abzielen, seinen Status als globales Sportzentrum auszubauen. Der Wüstenstaat ist nicht nur Ausrichter der Basketball-Weltmeisterschaft 2027, sondern hat auch den ersten „Sport-Business-Distrikt“ der Region geschaffen. Von Sportausrüstern bis hin zu Trainingsunternehmen und Anwaltskanzleien: Mit zahlreichen Anreizen und Dienstleistungspaketen lockt Katar multinationale Sportunternehmen an, um so neue Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen.

Eine weitere Säule in den Strategien zur Wachstumsdiversifizierung sind Fintech-Innovationen und die Schaffung starker Finanzmärkte. Führend in der Region sind dabei Saudi-Arabien, die VAE und Bahrain. In diesen drei Ländern sind vier der größten Fintech-Zentren der Region angesiedelt: Bahrain Fintech Bay, Abu Dhabi Global Market, Fintech Hive im Dubai International Financial Centre und Fintech Saudi. Innovationen und Fintech-Start-ups werden in der GCC-Region unter anderem auch durch Maßnahmen wie den von der Bahrain Development Bank finanzierten, 100 Millionen US-Dollar schweren Al-Waha-Fonds und die Fintech-Regulatorik der Zentralbank von Bahrain gefördert.

Es besteht kein Zweifel: Mit ehrgeizigen Plänen sowie neuen, vielfältigen und innovativen Initiativen wird die wirtschaftliche Diversifizierung der GCC-Staaten sowohl auf regionaler als auch globaler Ebene für zahlreiche Chancen sorgen, von denen Unternehmen und Verbraucher profitieren können.


Potenzielle Hindernisse bei der Erschließung der attraktiven Investitionsmöglichkeiten der GCC-Region

Der Weg zur wirtschaftlichen Diversifizierung ist jedoch nicht frei von Herausforderungen, denn der Finanzierungs- und Investitionsbedarf zur Umsetzung ist enorm – und wird häufig mit Gewinnen aus fossilen Brennstoffen gedeckt. Während Länder mit großen Erdölvorkommen wie Saudi-Arabien und die VAE also reichlich Mittel haben, um wirtschaftliche Chancen jenseits des Erdöls zu entwickeln, haben andere GCC-Staaten diese Möglichkeiten nicht. Die Diversifizierung der Wirtschaft in der Region verläuft somit unter Umständen uneinheitlich. Da die Wirtschaftspolitik maßgeblich von staatlicher Seite bestimmt wird, bleibt abzuwarten, inwieweit es dem Privatsektor gelingen wird, die Schwerpunkte und den Umfang von Initiativen außerhalb des Ölsektors in den verschiedenen Ländern der Region mitzugestalten.

Investoren, die in den GCC-Ländern tätig sind, müssen politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Aspekte im Blick behalten. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht häufig der soziale Aspekt des Nachhaltigkeitsdreiklangs „ESG“ – wenngleich die von westlichen Medien geprägte Wahrnehmung nicht immer ganz richtig ist. So plant etwa Saudi-Arabien im Rahmen der Vision 2030 den Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung auf 30 % zu erhöhen.

Den Finanzierungsbedarf einer diversen Region im Wandel decken

Sehr erfolgreich waren bei der Finanzierung nicht ölbasierter wirtschaftlicher Initiativen bisher Staatsfonds. Und sieben der 15 weltweit größten Staatsfonds stammen aus der GCC-Region; die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) aus den VAE rangiert auf Platz vier. In Saudi-Arabien hat der Public Investment Fund (PIF) eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Vision 2030 durch die Herausgabe von zwei Green Bonds gespielt. In Kuwait treibt die Kuwait Investment Authority (KIA) die Strategie des Landes zur Energiediversifizierung ebenfalls mit voran: Die KIA-Tochter Enertech Holding Company hat zusammen mit dem US-Solarunternehmen Energy America neue globale Solarenergieprojekte entwickelt und finanziert. In Katar haben sich Staatsfonds im Fintech-Sektor als wichtige Innovationstreiber erwiesen, zur Schaffung neuer Wachstumschancen jenseits des Ölsektors beigetragen und so die Initiativen der Zentralbank zur Öffnung der Kapitalmärkte des Landes für ausländische Investoren ergänzt. Darüber hinaus hat die Qatar Investment Authority (QIA) 2024 einen 1 Milliarde US-Dollar schweren Risikokapitalfonds aufgelegt, um regionale und internationale Risikokapitalgeber und Unternehmer nach Katar zu locken. Der Schwerpunkt liegt hier auf Technologie, Fintech, Edtech und Innovationen im Gesundheitswesen. Auch in Zukunft dürften Staatsfonds eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Diversifizierung der GCC-Region spielen.

Doch allein mit Staatsfonds kann nicht sichergestellt werden, dass das volle Spektrum an Möglichkeiten realisiert werden kann. Auch Banken mit ihren Netzwerken, ihrem Fachwissen, ihren flexiblen Lösungen und ihrer umfassenden Marktkenntnis spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Diversifizierungsstrategien in den GCC-Staaten und bei der Betreuung von Firmenkunden, die die zahlreichen sich bietenden Gelegenheiten der Region nutzen möchten.

Mit grünen und nachhaltigen Finanzierungen sowie Übergangsfinanzierungen können Banken die Unternehmen der Region beim Start ihrer ökologischen Transformation unterstützen und Investitionen in erneuerbare Technologien und Ressourcen ermöglichen. Das treibt die Bemühungen um Nachhaltigkeit und die Strategien zur Energiediversifizierung voran. Allerdings befindet sich jedes GCC-Land in einer anderen Phase der Transformation und hat daher unterschiedliche Finanzierungsbedürfnisse. Die VAE und Saudi-Arabien z. B. zeigen sich Investitionen in erneuerbare Technologien gegenüber besonders offen, während andere Länder wie Kuwait (wo erneuerbare Energien weniger als 1 % der Stromerzeugung ausmachen) auf diesem Gebiet weniger aktiv sind. Die Rolle der Banken wird bei der Unterstützung der Nachhaltigkeitsbemühungen in der GCC-Region von Land zu Land unterschiedlich sein.

Die Wirtschaft sieht die GCC-Länder als wichtige Handelspartner und ist um den Ausbau der Geschäftstätigkeiten in der Region bemüht. Banken können sie dabei mit wirksamen Handelsfinanzierungslösungen begleiten, die den Markteintritt und neue Geschäftsbeziehungen ermöglichen. Als international agierende, tief in der Handelsfinanzierung verwurzelte Bank mit einem umfangreichen Angebot an innovativen Finanzierungslösungen, engen Beziehungen zu Partnerbanken in GCC-Ländern und mit eigener Repräsentanz in Dubai sind wir bei der Commerzbank in dieser Hinsicht optimal aufgestellt. So können wir unsere Kunden effektiv dabei unterstützen, die Chancen zu erkennen und zu ergreifen, die im Rahmen der Diversifizierung und des Wachstums der Region entstehen.