Trade Finance, Partnerschaften im Bankwesen können helfen, die Herausforderungen im Trade Finance Bereich zu meistern
Angesichts sich wandelnder makroökonomischer Trends wird es für Banken immer schwieriger (und kostspieliger), ihren Kunden Trade Finance anzubieten.
Heute sprechen wir mit Christian Toben, Head of Emerging Markets, Arne Graeber, CEO von Commerz Global Service Solutions, und Gerald Dannhäuser, Regional Head of Financial Institutions, darüber, wie sich große und kleine Banken an diese neue Entwicklung anpassen.
Die globalen Handelsströme waren in den letzten Jahren erheblichen Störungen ausgesetzt – von den Lieferkettenschocks der Pandemie bis hin zum Krieg in der Ukraine. Hat die Volatilität einige Banken dazu bewegt, ihre Trade-Finance-Lösungen zu überdenken?
Gerald Dannhäuser:
Der Welthandel hat in den letzten Jahren definitiv dramatische Umbrüche erlebt, die auch uns im Bankensektor getroffen haben. Auch infolge dieser Störungen ist der Überwachungsbedarf im Hinblick auf Due Diligence, KYC-Prozesse und Sanktionen gestiegen, was die Kosten für die Abwicklung des Auslandsgeschäfts in die Höhe getrieben hat. Insbesondere für kleine und mittelgroße Banken ist es schwieriger geworden, Firmenkunden auch Trade Finance anzubieten.
Christian Toben:
Außerdem investieren Banken verstärkt in Digitalisierung, um diese Due-Diligence-Prüfungen effektiv durchführen zu können. Natürlich fließen bereits jetzt erhebliche Summen in Automatisierung, Robotik und KI, künftig nur eben noch mehr. Doch viele kommen auch zu dem Schluss, dass es sich nicht mehr lohnt, diese Systeme zu entwickeln, zu betreiben und weiterzuentwickeln, nur um ein paar Akkreditive zu bearbeiten.
Finden die Banken überhaupt die Fachkräfte, um diese zusätzlichen Anforderungen erfüllen zu können?
CT:
Personal ist auch so ein Bereich, in dem uns die Makrotrends in den letzten Jahren vor Herausforderungen gestellt haben. Seit der Pandemie beobachten wir, wie Finanzinstitute in Europa und andernorts Schwierigkeiten haben, bestimmte operative Stellen passend zu besetzen. Die Abwicklung des dokumentären Auslandsgeschäfts ist technisch und fachlich anspruchsvoll und umfasst zahlreiche Aufgaben mit rechtlichem und regulatorischem Bezug. Dazu braucht es bestimmte Qualifikationen. Aber viele Spezialistinnen und Spezialisten mit den entsprechenden Qualifikationen sehen sich heute eher nicht in der Abwicklung.
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachkräften setzen viele Banken verstärkt auf Technologie, um diese Lücke zu füllen. Wir werden natürlich immer auch Menschen brauchen, schließlich ist das Firmenkundengeschäft in erster Linie ein Relationship Business. Da sich aber die Folgen des demografischen Wandels, der Regulierung sowie anderer Trends verstärkt bemerkbar machen, wird die Automatisierung immer wichtiger.
Um diese Lücken in der Abwicklung zu schließen und die Compliance-Anforderungen zu erfüllen, braucht es erhebliche Investitionen. Für kleinere Banken ist es deshalb unter Umständen nicht möglich, auf diese Lösungen direkt zuzugreifen.
Wie können kleinere oder mittelgroße Banken angesichts steigender Kosten und zunehmender Komplexität bei der Abwicklung des Auslandsgeschäfts denn mithalten?
Arne Graeber:
Die angesprochenen Kostensteigerungen in diesem Geschäft und der demografische Wandel haben zu einer Konsolidierung in der Branche geführt. Oft erkennen kleinere Akteure, dass sie eine Partnerbank benötigen, die ihnen gezielte Trade-Finance-Dienstleistungen in einem globalen Netzwerk anbieten kann. So ist die Commerzbank seit jeher ein zuverlässiger Partner sowohl in Industrienationen als auch in Schwellenländern.
CT:
Einige Banken sind zu dem Schluss gekommen, dass sich das Angebot von Trade Finance überhaupt nicht mehr lohnt. Andere wiederum überdenken ihr aktuelles Geschäftsmodell. Viele wenden sich auch an Partnerbanken, die Trade Finance as a Service (TFaaS) als Lösung anbieten, und lagern die Abwicklung des dokumentären Auslandsgeschäfts teilweise oder komplett aus.
Mit TFaaS als maßgeschneiderter Banklösung unterstützt die Commerzbank diese Kunden. Dabei können sie – je nach Bedarf – das erweiterte Trade-Finance-Netzwerk für eine Reihe unterschiedlicher Produkte im dokumentären Auslandsgeschäft nutzen oder auf einen reinen Akkreditivservice zurückgreifen.
TFaaS erlaubt es unseren Kunden, von unseren Leistungen in den Bereichen Digitalisierung und Analytik zu profitieren, ohne die erheblichen Kosten einer Direktinvestition zu tragen. Und wir können dank des höheren Durchsatzes auf unserer Plattform die Transaktionskosten deutlich senken. Wir unterstützen also unsere Kunden und treiben gleichzeitig unsere eigene digitale Transformation voran.
GD:
Banken möchten ihren Kunden weiterhin die Lösungen bereitstellen können, die sie brauchen – egal, welche Herausforderungen die Zukunft bereithält. Viele erkennen, dass sich dieses Ziel vielleicht am besten zusammen mit einem verlässlichen Partner erreichen lässt.
Ist die wachsende Nachfrage nach TFaaS ein globales Phänomen oder beschränkt sie sich derzeit noch auf bestimmte Regionen?
GD:
In den Industrieländern der APAC-Region – insbesondere in Australien und Neuseeland – konnten wir bereits eine starke Nachfrage nach TFaaS beobachten. Was diese Märkte gemeinsam haben, sind die relativ hohen Lohnkosten, die intensive aufsichtsrechtliche Überwachung und die hohen Handelsvolumina. Da sich diese makroökonomischen Trends in den Schwellenländern immer stärker bemerkbar machen, könnte das nächste große Zentrum für dieses Geschäftsmodell im Nahen Osten zu finden sein.
Noch einmal zurück zum schon angesprochenen Fachkräftemangel in der Verarbeitung: Steht der Sektor nun vor einem umfassenden Generationenwechsel, mit dem das Fachwissen um die Abwicklung des Auslandsgeschäfts nach und nach verloren geht? Wie können sich Banken an die neue Realität auf dem Arbeitsmarkt anpassen?
AG:
Um dieses Problem zu lösen, bedarf es eines globalen Ansatzes bei der Stellenbesetzung. Wie in jedem anderen Unternehmen auch muss man in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. Sobald sie das Gefühl haben, erfolgreich zu sein und Teil einer Erfolgsgeschichte werden zu können, sind sie auch bereit, hart zu arbeiten.
In unserem Commerz Global Service Solutions Centre in Kuala Lumpur arbeiten wir z. B. seit langem mit Universitäten zusammen. Über eine spezielle Trade-Finance-Akademie gewinnen wir talentierte und engagierte junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind jetzt seit zwölf Jahren in Malaysia und haben ein Umfeld geschaffen, in dem die Menschen gerne arbeiten.
Unser Set-up ist flexibel. In mehreren Schichten können wir die Zeitzonen der Regionen APAC, EMEA und Amerika abdecken und unseren Kunden so eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung bieten.
Was haben lokale und regionale Banken davon, wenn sie im Trade Finance Bereich mit einem Partner wie der Commerzbank zusammenarbeiten?
CT:
Die Vorzüge unseres Zentrums in Kuala Lumpur hat Arne ja bereits zutreffend dargelegt. Doch nicht jede Bank kann es sich leisten, ein solches Zentrum aufzubauen. Ganz gleich, ob in Europa, Asien oder sonst wo auf der Welt: Als aktiver Akteur im Transaktionsbanking braucht man ein gewisses Mindestvolumen, damit sich Investitionen lohnen.
AG:
Es gibt auch gute Argumente für TFaaS als skalierbare Lösung. Jede Bank – unabhängig von ihrer Größe – will ihr Geschäft ausbauen. Auch wenn ihr Hauptaugenmerk vielleicht auf anderen Produkten liegt: Wenn ein Kunde eine Trade-Finance-Lösung braucht, wird die Bank sie anbieten wollen. Ein Partner kann helfen, das zu ermöglichen.
Mit langjährigen, starken Kundenbeziehungen genießt die Commerzbank international einen guten Ruf als Trade Finance Bank. Was bedeutet das für die Positionierung der Bank als einer der führenden Anbieter von Trade Finance as a Service?
CT:
Die Commerzbank verfügt über ein starkes internationales Netzwerk an Korrespondenzbanken und die Handelsfinanzierung gehört zu unseren Kernkompetenzen. Unsere Kunden kennen uns als verlässlichen Partner, sie kennen unser Spezialistenteam und sie wissen, dass wir auf unserer bestehenden Marktposition aufbauen wollen, um in dieser nächsten Konsolidierungsphase zu einem führenden Akteur zu werden.
GD:
Bei TFaaS gilt: Je strategischer die Beziehung, desto vorteilhafter für beide Parteien. Wir sind mit unseren Kunden und ihrem Geschäft gut vertraut und wissen, wie wir die Lösung genau auf ihre Bedürfnisse zuschneiden können.
AG:
Banken, die ihr Trade Finance auslagern möchten, zögern häufig, wenn eine der größten Banken der Welt als Partner im Raum steht, denn im Firmenkundengeschäft könnte man sie ja auch als direkte Konkurrentin sehen. Bei der Commerzbank liegen die Dinge jedoch anders: In Europa verfügen wir zwar über ein großes Firmenkundengeschäft, global sind wir aber viel stärker auf Bankkunden ausgerichtet. Lokale und regionale Banken fühlen sich bei uns daher deutlich besser aufgehoben als bei den großen, internationalen Akteuren.
Der Trade Finance Sektor entwickelt sich kontinuierlich weiter und ich habe keinen Zweifel daran, dass im Zuge dieser Entwicklung immer mehr regionale und lokale Finanzinstitute mit Banken wie der Commerzbank zusammenarbeiten werden. Das ist der Weg, um mit globalen Großbanken mitzuhalten.