Grüne Transformation
, Diversifizierte Finanzierungsinstrumente für eine grünere Zukunft

Die branchenübergreifende grüne Transformation ist von entscheidender Bedeutung. Doch sind die Kosten für Modernisierung oder den Ersatz bestehender Produktionsstätten und Infrastrukturen beim Einsatz herkömmlicher Finanzierungsmodelle oft ein Hindernis.

Wie sich der Finanzsektor an diese Gegebenheiten anpasst und gemeinsam die erforderliche Finanzierung bereitstellt erörtern Ina Kreißl, ESG Sector Advisory, Christine Rademacher, Divisional Head Financial Engineering und Kathrin Eich, Global Head of Structured Export and Trade Finance.

Wie gehen Finanzinstitute die grüne Transformation im Energiesektor an? Müssen Banken angesichts des steigenden Finanzierungsbedarfs ihre Herangehensweise ändern?

Ina Kreißl: Seit Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens 2016 haben Unternehmen aller Branchen gemeinsame Anstrengungen unternommen, um die veränderten Klimaziele zu erreichen. Die Nachhaltigkeitswende ist definitiv in vollem Gange. Wirksame Veränderungen sind nur mit erheblichen Infrastrukturinvestitionen erreichbar.

Allerdings haben sich herkömmliche Finanzierungsformen bislang als unzureichend erwiesen, denn der Investitionsbedarf für die Modernisierung oder den Ersatz bestehender Assets ist extrem hoch. Für Sektoren, in denen sich die Dekarbonisierung besonders schwierig gestaltet – wie etwa die Stahlindustrie oder der Energiesektor –, haben Banken selbst einfach nicht ausreichend Finanzierungsspielraum. Der Investitionsbedarf steigt schneller als die Cash-Generierung aus neuen Assets, was sich negativ auf das Bonitätsprofil auswirkt. Also braucht es neue Ansätze.

Banken und andere Finanzinstitute werden daher kreativer: Sie nutzen kooperative Finanzierungsmodelle, um die immensen Kapitalanforderungen der Nachhaltigkeitswende bedienen zu können. Mit Blick auf den zukünftigen Finanzierungsmix für die erforderliche Transformation der Produktionsanlagen und Infrastrukturen halten wir einen diversifizierten Ansatz mit verschiedenen Finanzierungsinstrumenten für sinnvoller als die standardisierte Nutzung von Instrumenten, an die viele Unternehmen vielleicht bisher gewöhnt sind.

Wie unterstützen Banken ihre Kunden auf ihren sehr unterschiedlichen Wegen hin zu mehr Nachhaltigkeit in den verschiedenen Sektoren und Regionen?

Christine Rademacher: Finanzinstitute müssen erkennen, dass die Transformation eines jeden Kunden individuell ist. Patentrezepte taugen hier eher nicht.

Was können sie also tun? Banken werden zunehmend ihre regionale und sektorspezifische Expertise einsetzen müssen, um die Anforderungen ihrer Kunden mit maßgeschneiderten Lösungen bedienen zu können, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeitswende umspannen. Dabei sollten die Institute mit Hintergrundwissen über das Umfeld und die spezifischen operativen Faktoren für das jeweilige Projekt aufwarten können.

Als bewährte Berater für Unternehmen zeichnen sich Banken durch ihr sektorspezifisches Transformations-Know-how, ihr Wissen über die Lieferketten und ihre Kenntnis des regulatorischen Umfelds aus.

Aus operativer Sicht wird man von Banken erwarten, dass sie ihre Kunden zu Best-Practice-Ansätzen, neuen Produkten sowie den Erwartungen von Investoren und Banken in Bezug auf die Übergangsplanung beraten. Wenn es im Rahmen von Projekten schließlich um Detailfragen geht, müssen Banken ihre Kunden auch bei Themen wie Berichtsformaten, wissenschaftlich fundierten Zielsetzungen und den entsprechenden Leistungskennzahlen begleiten.

Die Nachfrage ist da. Schauen wir uns z. B. mittelgroße Unternehmen und ihre Lieferketten an: Da üben OEMs (Original Equipment Manufacturers) zunehmend Druck aus, die Dekarbonisierung voranzutreiben. Das führt zu steigenden Investitionen in die Elektrifizierung von Produktionsprozessen und in Energieeffizienzprogramme.

Bei der Commerzbank sind wir mit diesen Prozessen bestens vertraut. Durch unsere engagierten ESG- und Transformationsexperten sowie das Kompetenzzentrum Green Infrastructure Finance in Hamburg hat sich die Bank als führender internationaler Finanzierer für erneuerbare Energien positioniert.

IK: Große Projekte erfordern umfangreiche Finanzierungen, die meist nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Finanzinstitute zu bewerkstelligen sind. So hat die Commerzbank jüngst an der Finanzierung des Offshore-Windparks „He Dreiht“ von EnBW mitgewirkt, bei der eine Reihe von Kapitalgebern einen Konsortialkredit über 500 Mio. Euro für 64 Windturbinen bereitstellten.

Finanzinstitute müssen zu Produktdetails, Lieferketten, Regulierung, Berichtswesen, Leistungskennzahlen, branchenübergreifenden Kooperationen und anderen Themen beraten. Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesem vielschichtigen Ansatz?

Kathrin Eich: Es gibt definitiv einige Herausforderungen – nicht zuletzt die regulatorischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern. Grenzüberschreitende Transaktionen zeigen sich zunehmend als Mittel der Wahl zur Finanzierung grüner Infrastrukturen. Um diese Vorhaben zu vereinfachen, muss es eine Reihe globaler Standards geben, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und Banken zu schaffen.

Finanzinstitute und Projektmanager brauchen an diesem Punkt mehr Klarheit. Das würde dann auch für mehr Stabilität sorgen und Investoren Planungssicherheit bieten.

Traditionell haben Exportkreditagenturen (ECAs) hauptsächlich Geschäfte in Schwellenländern unterstützt, um Exporte in etwas risikoreichere Länder zu fördern. Wie unterscheidet sich das Engagement der ECAs, wenn es um die grüne Transformation geht?

KE: Hier hat sich einiges getan. In letzter Zeit hat es einige Deals gegeben, die den grenzüberschreitenden Handel zwischen zwei entwickelten Märkten betrafen. Die Vorteile der Mitwirkung einer Exportkreditagentur haben sich jüngst bei einer Finanzierung für Salzgitter gezeigt. Hier hat die Commerzbank zusammen mit weiteren Finanzinstituten ein ECA-gedecktes grünes Darlehen über 200 Mio. Euro gewährt, um die Dekarbonisierung der Stahlproduktion des Konzerns in großem Stil zu unterstützen. Das Darlehen ist ein wichtiger Meilenstein in der Finanzierung des SALCOS-Programms, mit dem die CO2-Emissionen um 95 % gesenkt werden sollen.

Das besondere Merkmal dieser Finanzierungsstruktur ist die Einbindung einer von der österreichischen Exportkreditagentur Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) bereitgestellten Exportkreditdeckung. Die ECA-Einbindung war von zentraler Bedeutung, um weitere Mittel aufnehmen zu können. Ihr Beitrag zur Risikoteilung verdeutlicht die Vorteile grenzüberschreitender Zusammenarbeit zur Erreichung gemeinsamer Klimaziele.

Dieser Ansatz könnte durchaus immer beliebter werden: Kreditnehmer in entwickelten Märkten profitieren von dieser Art von ECA-Transaktion als wertvolle Ergänzung zu ihrem Finanzierungsmix für den kapitalintensiven Transformationsprozess. Zudem gewährt sie Kreditnehmern Zugang zu einer breiteren Basis von Kreditgebern, die in der Lage und bereit sind, langfristige Finanzierungen in größerem Umfang bereitzustellen.

Auch Kreditgebern kommen ECA-Finanzierungen zugute, denn durch sie wird das Risiko auf mehrere Schultern verteilt. Das steigert wiederum die Investitionsbereitschaft für notwendige Projekte.

Die Transaktion wurde durch die österreichische ECA ermöglicht und unter den Beteiligten waren auch Zulieferer aus Österreich. Wie wichtig ist die Rolle der Exportkreditagenturen bei der Förderung nationaler Exporteure, auch innerhalb des Binnenmarktes?

KE: Natürlich fördern ECAs den Export von Investitionsgütern heimischer Hersteller. Auf diese Weise unterstützen sie nicht nur die Binnenwirtschaft, sie agieren auch als Wegbereiter der grünen Transformation und Förderer eines kollaborativen Umfelds.

Die Klimakrise wird die Menschen auf der ganzen Welt betreffen, daher müssen die Akteure verschiedener Staaten zusammenarbeiten, um ihre gemeinsamen Klimaziele zu erreichen. Exportkreditagenturen können Anreize für grenzüberschreitende Investitionen schaffen, um den enormen Kapitalhunger der Nachhaltigkeitswende zu stillen.

Es hat sich gezeigt, dass kooperative Finanzierungen in der Stahlindustrie funktionieren können. Wird dieses Modell auch in anderen schwierig zu dekarbonisierenden Sektoren Anwendung finden? Sind solche Projekte vielleicht sogar schon im Gange?

IK: Akteure in Sektoren, in denen sich die Dekarbonisierung besonders schwierig gestaltet, könnten von dieser Art der Finanzierung enorm profitieren. Wie die Stahlindustrie stehen auch der Energiesektor und die Spezialchemie vor der gewaltigen Herausforderung, ihre Produktion und Infrastruktur auf eine nachhaltigere Zukunft auszurichten. Eine kooperative Finanzierung kann hier der Schlüssel sein.

Das deutsche Stromnetz ist ein gutes Beispiel dafür: Der jährlich erforderliche Investitionsaufwand, um die Infrastruktur zukunftsfähig zu machen, hat sich vervielfacht. Übertragungsnetzbetreiber werden erhebliche Mittel benötigen, um den Ausbau ihrer Anlagen zu finanzieren. Die Diversifizierung in Kapitalmarktinstrumente ist ein kluger Weg, dies zu erreichen. Dabei könnten ECA-gedeckte Finanzierungen eine wichtige Rolle im Finanzierungsmix der Übertragungsnetzbetreiber spielen.

KE: Auch Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff könnten einen solchen Finanzierungsansatz erfordern. Diese im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien noch junge Technologie erfordert umfangreiche Forschung und Tests und somit eine stabile und unterstützende Finanzierung.

Wie sieht die übergeordnete Strategie der Commerzbank für die Finanzierung des Transformationsprozesses aus?

CR: Die Commerzbank hat sich verpflichtet, die CO2-Emissionen im eigenen Bankbetrieb bis 2040 und im Gesamtportfolio bis 2050 auf netto null zu reduzieren. Mit ihrer Sektorexpertise, ihrer profunden Kenntnis des Marktes für nachhaltige Finanzierungen und dem internen Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten (das im ESG-Rahmenwerk definiert und von Sustainalytics bestätigt wurde) ist die Commerzbank ein verlässlicher Partner an der Seite ihrer Kunden.

Um die Nachhaltigkeitswende der Wirtschaft aktiv voranzutreiben und zu finanzieren, bietet die Commerzbank eine breite Palette nachhaltiger Produkte an und hat sich in der Branche einen starken Ruf erarbeitet. Bei ihren Kreditentscheidungen stehen klimabezogene Risiken im Mittelpunkt und die Portfoliosteuerung erfolgt nach den Standards der Science Based Targets Initiative (SBTi).

Die Commerzbank bietet allen Kunden Unterstützung und Beratung – unabhängig davon, wie weit sie auf ihrem Weg zur grünen Transformation bereits fortgeschritten sind. Die Bank agiert als Förderer, Vermittler und Kapitalgeber der grünen Transformation all unserer Kunden und nutzt ihre branchenführende Expertise, um die Erreichung gemeinsamer internationaler Ziele zu unterstützen.